Friseurmeisterin Seval Reçber aus Dortmund erhält „Integrationspreis Handwerk NRW“
Veröffentlicht am 31.05.2022 11:59 von NH-Nachrichten
Presseinformation 37/2022
Dortmund, 31. Mai 2022
„Jeder Mensch hat seine Stärken und Schwächen“
Dortmund. Seit über 36 Jahren macht sich die Dortmunder Friseurmeisterin Seval Reçber für gute Ausbildung stark. Für ihr großartiges Engagement erhielt sie heute den „Integrationspreis des Handwerks NRW“, der gemeinschaftlich von der Handwerkskammer, dem Westdeutschen Handwerkskammertag (WHKT) sowie dem NRW-Integrationsministerium vergeben wird. Berthold Schröder, Präsident der Handwerkskammer (HWK) Dortmund und des WHKT, überreichte die Urkunde. „Sie geben jungen Menschen mit Migrationshintergrund eine Chance, auch denen mit einer schwierigen Geschichte. Dafür möchten wir Sie heute auszeichnen. Denn Integration funktioniert am besten über die berufliche Bildung und im Handwerk können wir das besonders gut“, so der Kammer-Präsident.
1986 hatte Seval Reçber kaum ihren Meisterbrief in der Tasche, als sie arbeitslos wurde. Der Friseurbetrieb, bei dem sie seit vielen Jahren angestellt war, ging in Konkurs. „Bevor ich mich arbeitslos melde, mache ich mich lieber selbstständig“, dachte sich die heute 60Jährige. Sie fand in Dortmund auf der Hamburger Straße ein kleines Ladenlokal, in dem sie ihren Friseursalon einrichtete: Seval’s Traum. „Ich hatte gerade den Mietvertrag unterschrieben, da habe ich erfahren, dass ich schwanger bin.“ Was nun? Trotz Kind den Weg in die Selbstständigkeit wagen? Eine gute Stammkundin erklärte sich bereit, auf das Kind aufzupassen, wenn sie im Laden stand. „Jetzt musst Du da durch“, sagte sie zu sich selbst. „Aber ich hatte auch das Glück, die richtigen Menschen um mich zu haben, die mich voll und ganz unterstützt haben“.
Seit der ersten Stunde bildet die Dortmunderin junge Menschen mit Herzblut aus. Jedes Ausbildungsjahr stellt der Innungsbetrieb mindestens zwei Lehrlinge ein, einer davon hat in der Regel einen familiären Migrationshintergrund. Schlechte Schulabschlüsse, mangelndes Selbstbewusstsein und Sprachprobleme gehören zu den größten Startschwierigkeiten der Auszubildenden. „Ich schaue nie auf Zensuren“, sagt die Meisterin. „Jeder Mensch hat seine Stärken und Schwächen. Viele sind sehr kreativ, aber in der Theorie nicht so gut.“ Wenn ihre Schützlinge Probleme in der Schule hatten, organisierte sie eine Nachhilfe oder sie lernte zusammen mit den Azubis. „Aus allen ist etwas geworden, viele haben sich später selbstständig gemacht“.
1988 kaufte Seval Reçber ein Haus, nur wenige Meter vom ersten Ladenlokal entfernt, renovierte es und zog mit ihrem Friseurbetrieb um. Bald folgte eine zweite Filiale in Dortmund. Neben dem Friseurbetrieb baute die Unternehmerin sich mit dem Vertrieb von Haarkosmetik erfolgreich ein zweites Standbein auf. Jedes Jahr bildete sie in jeder Filiale je drei Lehrlinge aus und hatte zeitweise bis zu 35 Mitarbeiter. Die Azubis, so sagt sie, haben sich gegenseitig unterstützt und voneinander gelernt; sie habe lediglich ihren Beitrag dazu geleistet, sie auf den richtigen Weg zu bringen.
Die Dortmunderin war u. a. Finalistin beim „DEICHMANN-Förderpreis für Integration 2007“, erhielt den Sonderpreis „Ausbildungs-As“ im Jahr 2010 sowie besondere Anerkennung für ihr Engagement beim „Interkulturellen Wirtschaftspreis 2011“. Neben ihrem Engagement für Integration ist der Betrieb für seine handwerklichen Leistungen mehrfach ausgezeichnet worden, regelmäßig nimmt sie mit ihren Mitarbeiter*innen an internationalen Wettbewerben teil. Schulungen und Weiterbildungen gehören für sie zum Pflichtprogramm. „Man darf nicht in eine Routine fallen, sondern muss auch mal aus dem eigenen Betrieb rausgehen, von anderen lernen, sich weiterentwickeln und neue Motivation für den Beruf finden.“
„Die Salons und der Vertrieb liefen sehr erfolgreich, bis ich vor etwa acht Jahren die Diagnose Brustkrebs bekam“, erinnert sich Reçber. Sie verkaufte den Haarkosmetik-Vertrieb und möchte nun, nach und nach, einen Gang zurückschalten. Während der Pandemie hat sie sich mit einer befreundeten Friseurmeisterin zusammengeschlossen und teilt sich seither den Salon, der sich über zwei Etagen erstreckt. Funda Boer soll im nächsten Jahr ihren Betrieb komplett übernehmen. Ganz und gar möchte Reçber sich aber noch nicht zurückziehen: „Wenn meine Erfahrung gefragt ist, bin ich immer da“.
Hintergrund:
Der „Integrationspreis Handwerk NRW“ wird alle zwei Jahre von den Handwerkskammern und dem Westdeutschen Handwerkskammertag in Kooperation mit dem NRW-Integrationsministerium und der Charta-der-Vielfalt am Diversity-Tag vergeben. Dabei wird in jedem Kammerbezirk (insgesamt gibt es sieben in NRW) ein Handwerksbetrieb geehrt, der bei der Integration von geflüchteten Menschen besondere Leistungen erbracht hat. Jedes ausgezeichnete Unternehmen erhält 500 Euro.
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