Mit Zurückhaltung zum Sieg

Veröffentlicht am 15.11.2022 14:30 von NH-Nachrichten

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Philipp Hawlitschek sichert sich mit seinem Gesellenstück den ersten Platz im Landeswettbewerb „Die Gute Form 2022“ in NRW

Tischler NRW | Messe Essen MHH – Preisverleihung “Die Gute Form” – am Sonntag, den 13. November 2022
Bilder: Bettina Engel-Albustin

Lauter, schriller, bunter: Insbesondere in den sozialen Medien wird mit möglichst auffälligen Effekten um Aufmerksamkeit gebuhlt. Im Kontrast dazu sind es aber manchmal die leisen Töne, die einen nachhaltigeren Eindruck hinterlassen. Ein Beleg dafür ist das Gesellenstück von Philipp Hawlitschek. Das Ateliermöbel des jungen Tischlers aus Bonn hat die Jury durch sein zurückhaltendes und unaufgeregtes Design überzeugt. Im Landeswettbewerb „Die Gute Form 2022“ sicherte sich Philipp Hawlitschek damit den ersten Platz.

Insgesamt waren in diesem Jahr 44 Gesellinnen und Gesellen mit ihren Stücken bei dem Wettbewerb auf Landesebene vertreten. Ausgestellt wurden die Möbel Mitte November auf dem Stand des Fachverbandes Tischler NRW im Rahmen der Messe „Mode Heim Handwerk“ in Essen.

Bescheidene Leichtigkeit
„Ein leises Stück, das erst auf den zweiten Blick seine große Qualität offenbart“, heißt es im Jury-Urteil über das Gesellenstück von Philipp Hawlitschek, der seine Tischlerausbildung im Museum Ludwig in Köln absolviert hat. Das Ateliermöbel besteht aus einem Schubkastenkorpus, der auf einem Gestell aus dunkel eingefärbter Eiche ruht. „Mir war es wichtig, dass das Stück eine gewisse Leichtigkeit vermittelt“, sagt Philipp Hawlitschek. Der Korpus wird nur von zwei Messing-Schienen gehalten, sodass der Eindruck entsteht, er würde über dem Gestell schweben. Die geringen Materialstärken unterstreichen zudem die filigrane Optik des Stücks. „Die flachen Griffe mit einer feinen Griffmulde auf der Unterseite reizen gekonnt die Materialeigenschaften des Holzes aus und vermeiden so den störenden Wechsel auf ein stabileres, aber eben zusätzliches Material wie Metall“, ergänzt die Jury. „Ein Gesellenstück im besten Sinn – bescheiden im Auftritt und angemessen in der Größe.“

Platz 2 für ein schwarzes Schaf
„Das schwarze Schaf vom Niederrhein“ – der Name für Hagen Kullers Gesellenstück ergibt sich aus dem dominierenden Material. Sein dreiteiliges Liegemöbel hat der Nachwuchstischler (Ausbildungsbetrieb: Tischlerei Reichenberg-Weiss, Neukirchen-Vluyn) komplett in schwarzes Schaffell gekleidet. Das eigentliche Gesellenstück kommt erst zum Vorschein, wenn die Schubladen der äußeren Elemente oder das Rollladenfach des mittleren Elementes geöffnet werden: Fein gearbeitete Spanten aus Oregon Pine definieren die Konturen des Gesellenstücks. Schmale Leisten, die auf den Spanten befestigt sind, formen die Korpushülle. Die Jury belohnte Hagen Kuller mit dem zweiten Platz: „Das Möbel fängt da an, wo ein gewöhnliches Polstermöbel aufhören würde, schön zu sein: innen und in der Unterkonstruktion. Die Auszüge mit Linearführungen gleiten gänzlich unsichtbar mit hoher Präzision und ohne jegliches Geräusch aus dem Korpus heraus. Ein ganz und gar ungewöhnliches Gesellenstück.“

Ein Kleiderschrank aus Esche und Papier auf dem dritten Platz
Eschenholz und japanisches Shōji-Papier: Aus diesen beiden Grundzutaten hat Luka Vogt sein Gesellenstück gefertigt. „Ich wollte die Wucht, die ein Kleiderschrank aufgrund seiner Größe hat, aus dem Stück zu nehmen – und habe mich daher für die Kombination aus dem Papier und dem Eschenholz entschieden“, sagt Luka Vogt, der seine Ausbildung bei den Thomas Faber Möbelwerkstätten in Alsdorf absolviert hat. Die Jury lobte insbesondere die perfekte Linienführung durch die konstruktiven Fugen und zeichnete das Gesellenstück mit dem dritten Preis beim diesjährigen Landeswettbewerb aus: „Notwendige Beschläge aus Metall, wie die Zapfenbänder mit außenliegendem Drehpunkt und die geschmiedete Kleiderstange mit ebenfalls quadratischem Querschnitt setzen behutsame Akzente.“

Outdoor-Küche ist der Publikumsliebling
Die Besucherinnen und Besucher der Messe Mode Heim Handwerk hatten auch in diesem Jahr wieder die Möglichkeit, aus den 44 ausgestellten Stücken ihren Favoriten auszuwählen. Die meisten Stimmen erhielt die Outdoor-Küche von Maximilian Sauer, der seine Ausbildung im Berufsbildungszentrum Euskirchen abgeschlossen hat. „Wir waren von der Flutkatastrophe im Juli 2021 stark betroffen, haben mehrere Monate ohne Küche gelebt und ganz viel mit Nachbarn draußen Essen zubereitet“, berichtet Maximilian Sauer. Daraus entstand seine Idee, aus der alten Hobelbank – die bei der Flut ebenfalls im Wasser stand – eine Outdoor-Küche zu bauen. Als Gewinner des Publikumspreises darf der Nachwuchstischler sich über 400 Euro freuen.

Drei Belobigungen
Neben den drei Siegern zeichnet die Jury drei weitere Stücke mit Belobigungen aus: Eine Belobigung geht an Otto Lübke (Ausbildungsbetrieb: Formfreund Holzmanufaktur, Steinhagen) für sein Lowboard mit Sitzgelegenheit. Den Korpus aus massivem Eschenholz hat er mit Elementen aus orangenem, blauem und transparentem Plexiglas versehen. „Ein junges Gesellenstück, das Spaß macht“, urteilt die Jury. Eine weitere Belobigung erhält Aaron Faber (Ausbildungsbetrieb: Thomas Faber Möbelwerkstätten, Alsdorf) für seinen Raumtrenner aus Esche und Linoleum. Die einzelnen, sich wiederholenden Formelemente hat er in zwei Ebenen angeordnet, sodass sich eine komplexe, dreidimensionale Struktur ergibt. Mit der dritten Belobigung zeichnet die Jury das Gesellenstück von Jacoba Heinrichs (Ausbildungsbetrieb: F.J. Bronneberg Interior Manufactur, Baesweiler) aus. Sie hat aus Nussbaum und MDF einen geschwungenen Schminktisch gefertigt. Die Jury ist sich einig: „Stimmig in der Formensprache, in sich homogen und treffend formuliert.“

Zwei Stücke mit Chancen beim Bundeswettbewerb
Experimentieren, kreatives Potenzial fördern und fordern – das ist das Ziel des Gestaltungswettbewerbes „Die Gute Form“. Seit über 35 Jahren zeigt das Tischlerhandwerk in NRW mit dem Wettbewerb und einer Ausstellung der prämierten Gesellenstücke, wie gestalterisch begabt die Nachwuchskräfte sind. Die drei Sieger dürfen sich über Geldpreise in Höhe von 750, 600 und 500 Euro freuen. Die Siegerstücke auf Platz 1 und 2 werden zudem im nächsten Jahr beim Bundeswettbewerb im Rahmen der Messe Ligna in Hannover an den Start gehen.

Alle Stücke des diesjährigen Landeswettbewerbs gibt es unter:
www.tischler.nrw/dgf-2022

„Die Gute Form 2022 NRW“ – Die Jury

Dirk Classen
Architekt | Classen Design GmbH & Co. KG
Mönchengladbach

Jan Eisermann
Designer und Dozent an der Akademie für Gestaltung im Handwerk
Münster

Heinz Fink
Tischlermeister und Redakteur bei der Fachzeitschrift BM
Leinfelden-Echterdingen

Manfred Stommel-Prinz
Architekt und Berufsschullehrer
Bergisch Gladbach

Hans Christoph Bittner
Formgebungsberater Tischler NRW
Dortmund

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