Keine Angst vor dem Verbrenner-Aus

Veröffentlicht am 03.03.2023 12:24 von NH-Nachrichten

Obermeister der Kraftfahrzeug-Innung Dortmund und Lünen dämpft hitzige Diskussion im Vorfeld der EU-Entscheidung am 7. März/ Innungsbetriebe bereiten sich zuverlässig auf den Wechsel vor / Käufer sollten sich nicht verunsichern lassen

Christoph Haumann, Obermeister der Kraftfahrzeug-Innung Dortmund und Lünen.

Christoph Haumann, Obermeister der Kraftfahrzeug-Innung Dortmund und Lünen.

Lohnt es sich jetzt noch einen Neuwagen mit Verbrennungsmotor zu kaufen oder sollte ich schon jetzt auf ein vergleichsweise teures E-Auto umsteigen? Ist der Wertverlust des Verbrenners in den nächsten Jahren nicht zu hoch? Wird es dann noch genug Ersatzteile geben? Viele Fragen gehen so manchem Autofahrer derzeit durch den Kopf, wenn er die hitzigen Diskussionen im Vorfeld der möglichen EU-Entscheidung zum Verbrenner-Aus am 7. März verfolgt. In den Autohäusern und Fachwerkstätten in Dortmund und Lünen sieht man der Entscheidung gelassener entgegen.

Änderungen in der Branche laufen

„Verbraucher und Politiker sollten jetzt einen kühlen Kopf bewahren”, rät Christoph Haumann, Obermeister der Kraftfahrzeug-Innung Dortmund und Lünen. „Wir reden von einer Übergangszeit von 12 Jahren bis zum Wechsel 2035 und sicher über weitere 10 Jahre nach dem Wechsel, in denen Verbrenner noch im Verkehr sind.” Die Fachbetriebe der Innung, die das Verbrenner-Ende am deutlichsten treffen wird, bereiten sich nach seiner Aussage bereits seit rund fünf Jahren darauf vor. Die Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker wurde um einen großen Anteil Elektromobilität erweitert und auch die Schulung der Fachkräfte in den Autohäusern läuft. Die Kfz-Innung Dortmund und Lünen unterstützt die Betriebe u.a. mit dem Angebot der Hochvoltschulung durch Schulungsleiter Reimund Peter im eigenen Schulungszentrum. „Noch ist der Anteil der Elektrofahrzeuge in unseren Werkstätten relativ gering, aber die Nachfrage nach E-Neuwagen zieht an und damit auch die sukzessive Umstellung der Branche”, erklärt Haumann. „Wir erwarten in unseren Betrieben einen langsamen Wandel in den nächsten zehn Jahren, der stark abhängig sein wird von den tatsächlichen Zulassungszahlen und auch von der individuellen Entwicklung der Auto-Marken. Klar ist aber, dass die E-Mobilität einen deutlich größeren Marktanteil bekommen wird. Viel größer, als wir ihn noch vor fünf Jahren erwartet haben. Wir werden uns alle Stück für Stück auf geänderte Werkstatt-Kapazitäten, andere Wartungsarbeiten und größere Service-Intervalle für Elektrofahrzeuge einstellen müssen.” Auch die Zulieferer müssten sich umstellen, so der Obermeister. Engpässe in der Ersatzteil-Versorgung von Dieseln und Benzinern seien aber in Zukunft nicht zu erwarten. „Der Klimawandel geht uns alle an. Das Kfz-Gewerbe ist untrennbar mit dem Automobilverkehr und dessen deutlich zu langsamer CO2-Reduktion verbunden“, so der Obermeister. „Wir sind uns dessen bewusst und deshalb seit langem Treiber in Sachen Umweltschutz. Die Kfz-Werkstätten haben zum Beispiel die ersten Kats nachgerüstet und sorgen seit Jahrzehnten mit der Abgasuntersuchung als verlängertem Arm des Gesetzgebers für die Einhaltung der Emissions-Grenzwerte.“

Neuwagen gut überlegt kaufen

Was den Neu- und Gebrauchtwagenkauf angeht, rät Christoph Haumann Käufern dazu, sich nicht verunsichern zu lassen, sondern auf individuellen Lösungen zu setzen. „Jeder, der sich einen Neuwagen anschaffen will, sollte genau überlegen, wo er das Fahrzeug einsetzt. Wer täglich nur Kurzstrecken von bis zu 50 Kilometern im Umkreis zurücklegt und zu Hause die Möglichkeit für eine Wallbox hat, sollte schon jetzt den Sprung in die Elektromobilität erwägen”, so der Obermeister. „Wer lange Strecken pendelt, keine Ladepunkte zur Verfügung hat oder in ländlichen Gebieten ohne vernünftigen ÖPNV wohnt, für den gibt es noch keine echte Alternative zum Verbrenner.” Interessant für den Verbraucher wird auch der Gebrauchtwagenmarkt, auf dem in Zukunft mehr Elektrofahrzeuge zu finden sein werden. „Momentan fehlen uns noch die Erfahrungswerte rund um die Haltbarkeit der Akkus, aber die Elektromotoren an sich sind sehr haltbar und zuverlässig”, so Haumann, der selbst Geschäftsführer eines Autohauses in Lünen-Brambauer ist. Das tatsächliche Aus für Diesel und Benziner auf dem Gebrauchtmarkt dürfte jedoch in der Praxis noch lange dauern, denn Autos können je nach Marke mehr als 20 Jahre alt werden. Nach Zahlen des TÜV liegt das Durchschnittsalter von Autos auf deutschen Straßen aktuell bei 9,8 Jahren (2021). „Wenn der letzte Verbrenner 2035 vom Band läuft, fährt er möglicherweise noch bis 2055”, schätzt Haumann.

 

E-Fuels können beim Übergang helfen

Vor diesem Hintergrund sieht der Obermeister – unabhängig von der politisch geführten Auseinandersetzung um die Vorschläge von Verkehrsminister Wissing und Finanzminister Lindner – große Chancen für E-Fuels. „Ja, E-Fuels sind auf absehbare Zeit noch teuer und aufwändig in der Herstellung, aber in einigen Jahren könnten sie weiterentwickelt sein und als klimaneutrale und volkswirtschaftlich sinnvolle Übergangslösung bei den dann verbliebenen restlichen Verbrenner-Fahrzeugen eingesetzt werden”, prognostiziert er. „Der Einsatz wird zunächst Verbrauchern zugutekommen, die sich kein neues E-Fahrzeug leisten können, später dann immer weniger werden und zum Schluss möglicherweise nur noch eine geringe Zahl von Rettungsfahrzeugen und Oldtimern betreffen.” Der Nutzen von E-Fuels in diesem Zusammenhang sei unbestritten, wenn auch – da relativ teuer – keine Dauerlösung für große Mengen an Fahrzeugen und letztendlich auch keine Alternative zu Elektrofahrzeugen.

 

Kontakt und Nachfragen:

Kraftfahrzeug–Innung Dortmund und Lünen

Geschäftsführer Ludgerus Niklas

Lange Reihe 62 | 44143 Dortmund

Tel: 0231 5177-151 | Fax: 0231 5177-197

www.handwerk-dortmund.de

 

 

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